AG Demokratie

Liebe Omas gegen Rechts,

am 19.02.2022 haben Sie eine Menschenkette um das Bremer Rathaus gebildet unter dem Motto "Aufstehen für Demokratie". Sie sehen die Demokratie in Deutschland offenbar gefährdet durch die Proteste gegen staatliche Corona -Maßnahmen, wenn Sie in Ihrem Aufruf schreiben: "Bei diesen so genannten 'Spaziergängern' findet sich rechtslastiges, verschwörungstheoretisches und antisemitisches Gedankengut, genauso wie eine unreflektierte Impf- und Maskengegnerschaft unter einem Dach".

Ich möchte Ihre Aufmerksamkeit auf eine andere Gefährdung der Demokratie lenken, die von den demokratischen Instanzen selber ausgeht und erheblich bedrohlicher für unser Gemeinwesen ist als die Gefahr von Rechts.

Dazu ein kurzer persönlicher Erfahrungsbericht als jemand, der sich nicht gegen das Corona - Virus hat impfen lassen und nun zur Strafe durch die politischen Maßnahmen aus weiten Bereichen des gesellschaftlichen Lebens ausgesperrt wird, ohne dass dafür medizinische oder gesundheitspolitische Gründe vorliegen. Das administrative Instrument dafür ist die "2G"- Regel. Wo 2G herrscht, kommt kein Ungeimpfter rein, auch wenn er / sie einen ganzen Stapel von negativen Corona- Tests vorlegt. Hier einige Beispiele der Diskriminierung in den letzten Monaten:

1. Frühstück beim Bäcker nebenan - geht nicht,
2. spontanes Kaffeetrinken beim Stadtbummel - geht nicht,
3. Stadtbummel selber ist sinnlos, da überall 2G gilt,
4. Kleidung bei Karstadt kaufen - da ist 2G vor,
5. CDs bei Saturn kaufen - geht nicht,
6. ein Besuch im Figurentheater - kann ich knicken,
7. ein Opernbesuch - keine Chance,
8. Besuch der Kunsthalle - ist nicht drin,
9. Fahrradgeschäft - gehört nicht zum täglichen Bedarf,
10. ein Treff mit Freunden auf ein Bier, - geht alles nicht,
11. Haareschneiden beim Friseur nebenan - ist nicht möglich.

In dem seit einiger Zeit unter der Überschrift „Berliner Erklärung“ kursierenden Papier mehrerer Parteien und Organisationen wird pauschal und in der Sache falsch behauptet, dass die an den „Montagsspaziergängen“ teilnehmenden Bürgerinnen und Bürger den Aufrufen von Nazis, Rassist*innen, NS-Verharmloser*innen und Antisemit*innen folgen würden.

An anderer Stelle ist sogar die Rede vom „Egoismus“ der Spaziergänger*innen sowie von einem „sozialdarwinistischen Verhalten der Corona-Proteste“. Hier wird den sich für die Demokratie engagierenden Bürgerinnen und Bürgern, die auf der Basis eines Grundrechts ihre kritische Meinung öffentlich kundtun, Menschenfeindlichkeit unterstellt.

Da die Initiatoren der „Berliner Erklärung“ ihre ungeheuerlichen Zuschreibungen nicht beweisen können, ködern sie die potenziellen Leser*innen statt dessen mit zustimmungsheischenden Begriffen wie „Solidarität“ und „Haltung“. Damit wird der Anschein erweckt, dass Repressionen gegen die Kritiker*innen der Coronamaßnahmen sowohl erforderlich als auch legitim sind, was sich in der Realität auch schon in Form gewalttätiger Übergriffe von Seiten der „Gegendemonstranten“ bemerkbar gemacht hat.

Im Zusammenhang mit der Kritik an der Coronapolitik der Regierungen werden in der „Berliner Erklärung“ außerdem „wissenschaftsfeindliche Scheinargumente“ erwähnt. Hiermit negieren die Initiatoren und Unterstützer*innen der Erklärung völlig, dass es zahlreiche wissenschaftliche Studien renommierter Wissenschaftler*innen gibt, auf die sich die Kritik der Maßnahmen stützen kann. Die Initiatoren offenbaren ihre Unkenntnis des wissenschaftlichen Forschungsstandes zu Corona, den Coronamaßnahmen und ihren Auswirkungen auf die Bevölkerung. Die fehlende Offenheit für regierungskritische Positionen lässt auf ein mangelndes demokratisches Bewusstsein schließen.

Zusammenfassend stellen wir fest, dass es sich bei der „Berliner Erklärung“ um ein polemisches Pamphlet mit einem äußerst destruktiven Kern handelt. Wer seinen protestierenden Mitmenschen pauschal und unbewiesen politische Dummheit und unlautere Motive unterstellt, tut genau das, was er diesen vorwirft: Er verweigert und vergiftet die Debatte über konstruktive aus der coronabedingten Lage herausführende Wege und trägt somit zu einer weiteren Vertiefung der gesellschaftlichen Spaltung bei.

Dem in der „Berliner Erklärung“ versuchten Rufmord an den Kritiker*innen der Coronamaßnahmen stellen wir uns entgegen und werden uns unser demokratisches Recht auf freie Meinungsäußerung nicht nehmen lassen.

Im Namen des Vorstands: Prof. Dr. Klaus-Jürgen Bruder (Vorsitzender) und Magda von Garrel  (Febr. 2022)

Die Neue Gesellschaft für Psychologie (NGfP) ist ein Zusammenschluss von PsychologInnen und Angehörigen verwandter Berufe, mit dem Ziel, ein diskursives, kritisches und reflexives Wissenschaftsverständnis der Psychologie weiterzuentwickeln, eine problemgerechte und gesellschaftlich verantwortliche Forschung und Praxis zu unterstützen und eine Erneuerung der geistes-, kultur- und sozialwissenschaftlichen Orientierung zu ermöglichen.

In der Zeit vom 26. bis 28. Mai 2022 führt die NGfP in Berlin einen Kongress zum Thema „Corona. Die Inszenierung einer Krise – Hintergründe und Folgen“ durch.

 

Buchempfehlung:

Macht BruderBruder, Klaus-Jürgen, Bruder-Bezzel, Almuth, Hrsg. (2021): Macht. Wie die Meinung der Herrschenden zur herrschenden Meinung wird. Westend Verlag, Frankfurt a.M.

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Mit welchen Mitteln und Techniken werden kurzfristige Meinungen sowie längerfristige Wertmaßstäbe und Weltbilder hergestellt? Klaus-Jürgen Bruder und Almuth Bruder-Bezzel liefern eine Analyse, die die gegenwärtige Situation von Verleumdung, Fake News und Verschwörungstheorien vor Augen hat, dabei aber die grundlegenden Prinzipien und Mechanismen der Beeinflussung und Manipulation an ausgewählten Beispielen untersucht. Mit Texten von: Almuth Bruder-Bezzel, Klaus-Jürgen Bruder, Anton Perzy, Magda von Garrel, Werner Rügemer, Burkhard Bierhoff, Wolfgang Romey, Georg Rammer, Moshe Zuckermann, Mathias Bröckers, Daniela Lobmueh, Kurt Gritsch, Stefan Korinth, Wolf Wetzel und Hannes Sies.

Ob der Journalismus mit oder an Corona verstorben ist, kann Michael Meyen, Professor für Kommunikationswissenschaften an der Ludwig-Maximilians-Universität München, nur skizzieren. Klar wird jedoch, dass die so genannte vierte Gewalt schwer angeschlagen ist. Sie leidet an Zensur, Verleumdung und Korruption und im Moment weiß niemand so genau, ob sie jemals wieder etwas für die Demokratie tun kann. In seinem Vortrag „Die Medien-Matrix“ zeigt Meyen auf, wie Leitmedien arbeiten, wie groß ihre Deutungshoheit wirklich ist und wie sehr eine gesunde Demokratie unabhängige Medien nötig hat. Auf einer Reise durch die verschiedenen Arenen der Medienmanipulation lernen wir die Netzwerke hinter der vierten Gewalt kennen und erhalten eine klare Definition, wie Journalismus wirklich arbeiten sollte - frei, unabhängig, kritisch. Um die Medien-Matrix zu durchschauen, braucht es wenig. Um aber aus der Medien-Matrix auszubrechen und wirklich unabhängigen Journalismus zu betreiben, ist schon etwas mehr als eine rote Pille wie im gleichnamigen „Matrix“-Film nötig. Es braucht Mut, Rückgrat und Verantwortungsbewusstsein. Ob dem kränkelnden Journalismus dies wieder zur Gesundung hilft, werden wir in der aktuellen Krise live beobachten dürfen. Der Vortrag wurde am 18.09.2021 aufgenommen.