Die Kindeswohl Gefährdungseinschätzungen steigen bundesweit rasant, in Bremen von 2019-2020 besonders extrem. Das sind Kindeswohlgefährdungs-Verdachtsmeldungen, die in den Jugendämtern in Deutschland nach § 8a SGB VIII registriert werden, zu 64% von den Behörden und Fachkräften selbst ausgelöst.
Welche "Melde-Kultur" macht sich hier breit? Wer hat diese Entwicklung zu verantworten? Dass bei akuten, lebensgefährlichen Gefährdungen von Kindern unmittelbarer Handlungsbedarf vorliegt, ist unbestritten, aber nur bei 15,3 % der Meldungen liegen solche Fälle vor. Wie sind diese drastischen Steigerungsraten zu erklären? Können wir so dem Anspruch des SGB VIII und unseres Grundgesetzes gerecht werden, Eltern in Notlagen zu unterstüzen, die vorübergehend bei der Wahrnehmung ihrer elterlichen Sorge Schwierigkeiten haben? Besonders in Zeiten, in den der Staat selbst die Familien mit Lockdowns, KiTa- und Schulschließungen, Quarantäneverordnungen und Kontaktverboten in Situationen drängt, in denen Entlastung massiv erschwert wird?
Insgesamt wurden bundesweit im Jahr 2020 (im Lockdown-Jahr) erschreckende 194.475 Meldungen registriert. 52.238 (26,8%) Gefärdungseinschätzungen wurden dabei durch Verwandte, Bekannte/Nachbarn oder Anonyme Meldungen ausgelöst und machten dann überprüfendes Jugendamtshandeln notwendig.
Das "Ergebnis" dieser Überprüfungen war, dass in fast der Hälfte dieser Fälle weder eine Kindeswohlgefährdung vorlag (siehe unten die Grafik dazu ), noch ein staatlicher Hilfebedarf für die Familie festgestellt werden konnte. Also Fehlalarm. Bei den Meldungen, die von Polizei, Gericht oder Staatsanwaltschaft ausgelöst wurden, haben wir auch eine erschreckend hohe Quote von 40% , wo weder eine Kindeswohlgefährdung vorlag, noch staatliche Hilfe notwendig war. Also auch Fehlalarm.
Bei aller Vorsicht in der Deutung. Das ist schon bedenklich. Welche Dramen zwischen Verwandten, Bekannten, Nachbarn oder "Anonymen" zum Schaden zehntausender Kinder und Eltern (Beziehungsabbrüche?) mögen sich bei diesen Fehlalarmen abgespielt haben ?
Besonders auffällig: Die Jugendämter der Stadtstaaten Berlin und Bremen stechen in der Meldehäufigkeit besonders hervor, Bremen hatte von 2019 auf 2020 sogar die deutschlandweit stärkste Steigerung zu verzeichnen, von 163 auf 235 pro 10.000 der unter 18-Jährigen. Dient das wirklich dem proklamierten Kindeswohl?
Der Stadtstaat Hamburg (85 pro 10.000 der unter 18-Jährigen in 2020) landet hingegen ganz unten im Ländervergleich mit nur 1/3 der Meldungen gegenüber Bremen. Was machen die in Hamburg anders?
(Alle Grafiken und Zahlen hier unten sind dem KomDat Heft 2 Nov. 2021 entnommen. Unten weitere Grafiken)