Wie schnell doch politische Todesurteile gefällt werden: Eine kurzfristige Absage genügt für die Grabrede. Doch die eigentlichen Fragen bleiben unbeantwortet.
Die Behauptung, 88 Talkshow-Auftritte würden Meinungsfreiheit beweisen, verkennt das Problem. Es geht nicht um individuelle Reichweite, sondern um gesellschaftliche Diskursverschiebungen: Wenn Forderungen nach Diplomatie als "Putin-Verständnis" delegitimiert werden, wenn soziale Umverteilung reflexhaft als populistisch gilt, dann verengt sich der Meinungskorridor – unabhängig davon, wer wie oft im Fernsehen sitzt.
Zur Ukraine-Politik: Der Vorwurf, europäische Verteidigungsfähigkeit bei gleichzeitiger Abrüstung sei widersprüchlich, übersieht den Kern. Es geht um strategische Autonomie statt endloser Aufrüstungsspirale, um Rüstungskontrolle statt Wettrüsten. Dass dies komplex ist, macht es nicht falsch. Die Alternative – immer mehr Waffen ohne diplomatische Perspektive – führt in die Sackgasse.
Und ja, 1,1 Prozent in NRW sind ernüchternd. Aber sie sind auch das Ergebnis einer jungen Partei in einem volatilen Umfeld. Dass Linke und AfD "glaubwürdiger" seien, ist eine steile These: Die eine zu schwach, die andere demokratiefern. Gerade deshalb braucht es Alternativen.
Meinungsfreiheit zeigt sich nicht daran, wer am lautesten ist, sondern daran, dass auch unbequeme Positionen Raum finden.
Mit freundlichen Grüßen
Manfred Steglich (Bremen, 4.11.2025)
Der Weserkurier hat diesen zugesandten Leserbrief am 6.11.2025 veröffentlicht.









