von Manfred Steglich
Die CDU-Bürgerschaftsfraktion fordert aktuell die Aufhebung der Zivilklausel im Bremischen Hochschulgesetz. Begründet wird dies mit einer „dramatisch veränderten Weltlage“ und der Chance, Bremen durch militärische Forschung neue Arbeitsplätze zu verschaffen. Vorgesehen ist ein sogenannter „Defence Campus“ – eine Einrichtung, die gezielt Forschung und Lehre für militärische Anwendungen bereitstellt. In dieser Zuspitzung wird er oft als „Defence-Hochschule“ bezeichnet, um deutlich zu machen, dass Hochschulen künftig in den Dienst der Rüstungsindustrie gestellt werden könnten.
Diese Forderung ist ein gefährlicher Irrweg. Die Zivilklausel ist kein überholtes Relikt der 1990er-Jahre, sondern ein Schutzmechanismus für Wissenschaft und Gesellschaft: Hochschulen sollen dem Frieden dienen, nicht der Aufrüstung. Gerade in einer Zeit wachsender internationaler Spannungen und akuter Kriegsgefahr mitten in Europa ist es unverantwortlich, den wissenschaftlichen Nachwuchs zu Zulieferern der Rüstungsindustrie zu machen.
Bremen: Rüstungshochburg im Herzen der Stadt
Bremen ist bereits seit Jahrzehnten ein bedeutender Standort der Rüstungsindustrie. Lürssen, Atlas Elektronik, OHB, Airbus Defence – all diese Unternehmen produzieren Kriegsschiffe, U-Boot-Technologien, Satelliten- und Waffenelektronik. Auch die Stahlindustrie liefert unverzichtbare Komponenten für Panzer- und Waffenproduktion. Bremen trägt somit schon heute maßgeblich zur militärischen Infrastruktur Deutschlands bei.
Gerade deshalb ist die Zivilklausel so wichtig: Sie bewahrt die Hochschulen als Orte zivilen Fortschritts. Ein „Defence Campus“ würde diese Rolle konterkarieren und Bremen noch tiefer in die Logik der Aufrüstung einbinden. Wer glaubt, dies sei ein reiner Innovationsschub, übersieht, dass militärische Forschung den offenen wissenschaftlichen Diskurs einschränkt, internationale Kooperationen erschwert und zivile Anwendungen verdrängt.
Militarisierung statt Zukunft
Die CDU rechtfertigt ihr Vorhaben mit dem Argument neuer Arbeitsplätze. Dieses Argument ist trügerisch. Rüstungsproduktion schafft kurzfristig Beschäftigung, bindet aber Ressourcen, die dringend für die zivile Zukunft benötigt werden: erneuerbare Energien, medizinische Forschung, Hightech-Entwicklungen. Diese Sektoren bieten nachhaltige Perspektiven, gesellschaftlichen Nutzen und internationale Wettbewerbsfähigkeit.
Friedens- und Konfliktforschung belegt seit Jahren: Aufrüstung schafft keine Sicherheit, sondern neue Risiken. Eine Hochschule, die den Interessen der Rüstungsindustrie verpflichtet ist, verschiebt gesellschaftliche Prioritäten weg von zivilen Lösungen hin zu Eskalation und militärischer Logik.
Auch Rot-Grün denkt laut über Aufweichung nach
Problematisch ist, dass nicht nur die CDU auf Aufweichung drängt: Auch aus Reihen der SPD und der Grünen werden bereits Stimmen laut, die ein „Überdenken“ der Zivilklausel fordern. Dies ist kein harmloses Diskutieren, sondern ein potenziell gefährlicher Richtungswechsel. Wer hier nachgibt, öffnet die Tür für eine weitere Militarisierung von Wissenschaft und Gesellschaft – und liefert der Rüstungsindustrie zusätzlichen Rückenwind.
Friedensorientierte Wissenschaft als rote Linie
Aus friedenspolitischer Sicht ist die Zivilklausel unverzichtbar. Sie schützt Hochschulen vor der Instrumentalisierung durch Staat und Industrie und signalisiert, dass Wissenschaft dem Allgemeinwohl dient. Ihre Abschaffung würde die Tür für eine weitere Militarisierung öffnen – gerade in einer Stadt, die bereits Rüstungshochburg ist.
Ein solcher Kurs gefährdet nicht nur die intellektuelle Unabhängigkeit der Hochschulen, sondern auch das gesellschaftliche Klima: Wissenschaft wird zu einem bloßen Dienstleister für Aufrüstung, zivilgesellschaftliche Debatten geraten in den Hintergrund, demokratische Kontrolle schwächt sich ab.
Bremen braucht zivile Zukunftsinvestitionen
Statt Rüstung braucht Bremen Investitionen in zivile Zukunftsbereiche: Klimaschutz, medizinische Forschung, Digitalisierung, Hightech und Bildung, wie auch in die Infrastruktur: Häfen, Bahn, Energie, Digitales usw.. Diese Sektoren schaffen nachhaltige Arbeitsplätze, sichern Innovationskraft und fördern gesellschaftlichen Nutzen. Die Gelder aus dem Sondervermögen des Bundes dürfen nicht in die Aufrüstung umgeleitet werden.
Die Zivilklausel ist mehr als ein Paragraph im Gesetz: Sie ist ein politisches und ethisches Signal. Bremen sollte seine Hochschulen nicht in den Dienst der Rüstungsindustrie stellen, sondern als Orte der zivilen Forschung, des Friedens und der gesellschaftlichen Verantwortung erhalten.
Die Aufhebung der Zivilklausel wäre ein Rückschritt – wissenschaftlich, ökonomisch und gesellschaftlich. Gerade in Bremen, der Rüstungshochburg, muss sie als rote Linie bestehen bleiben. Wer hier nachgibt, setzt nicht auf Zukunft, sondern auf Eskalation – mitten in Europa.
Manfred Steglich