Vom Schiffbau zum Rüstungskartell: Was die Rheinmetall-Übernahme von Lürssen bedeutet

 Korvette K130Ein Kommentar von Manfred Steglich

Die Übernahme der Marinesparte der Bremer Lürssen-Werft durch Rheinmetall ist mehr als nur ein Geschäftsvorgang: Sie steht exemplarisch für die fortschreitende Militarisierung der deutschen Wirtschaftspolitik und die Konzentration strategischer Industrien in wenigen Großkonzernen. Die Bundesregierung setzt auf die Schaffung mächtiger „Systemhäuser“, die sämtliche militärischen Bereiche abdecken, während zivile Investitionen vernachlässigt werden. Rheinmetall erweitert mit diesem Schritt seine Dominanz vom Panzer- und Munitionsgeschäft auch auf den Marineschiffbau und festigt seine Stellung als zentraler Rüstungsakteur in Deutschland und Europa – auf Kosten demokratischer Kontrolle, gesellschaftlicher Sicherheit und einer nachhaltigen Zukunftsplanung.

Die offizielle Begründung des Lürssen-Managements, eine „verschärfte Bedrohungslage“ mache die Bündelung der Kompetenzen notwendig, wirkt vorgeschoben. Sicherheit wird hier nicht in erster Linie als gesellschaftliches Gut verstanden, sondern als strategisches Verkaufsargument. Tatsächlich geht es um eine profitable Neuordnung der Branche, die von den enormen Aufträgen aus dem Sondervermögen Bundeswehr und der permanenten Erhöhung des Rüstungsetats befeuert wird. Dass dabei internationale Finanzinvestoren wie BlackRock, Morgan Stanley oder Goldman Sachs zu den größten Profiteuren gehören, verdeutlicht, dass hier nicht das „nationale Interesse“, sondern vor allem Kapitalinteressen den Takt vorgeben.

Besonders problematisch ist die Vorstellung, mit solchen Fusionen werde die Wehrfähigkeit Deutschlands gestärkt. In Wahrheit bedeutet die Konzentration auf immer größere Rüstungskonglomerate eine gefährliche Abhängigkeit: von wenigen Anbietern, die de facto über Monopolmacht verfügen, und von politischen Entscheidungen, die kaum noch demokratisch kontrolliert werden. Wenn Sicherheitspolitik zunehmend im Einklang mit den Profitinteressen von Rüstungskonzernen definiert wird, verliert sie ihren öffentlichen Charakter und wird Teil einer kapitalgetriebenen Logik, die sich selbst immer weiter verstärkt.

Hinzu kommt der gesellschaftliche Preis: Milliarden fließen in militärische Großprojekte, während zentrale öffentliche Aufgaben – von der Sanierung von Schulen über die Modernisierung der Infrastruktur bis zur Stärkung des Gesundheitswesens – auf der Strecke bleiben. Der so entstehende „Kriegskeynesianismus“ mag kurzfristig für volle Auftragsbücher sorgen, er verschärft aber die soziale Schieflage und bindet Ressourcen, die dringend für zivile Investitionen gebraucht würden.

Auch für die Beschäftigten der NVL-Werften bleibt die Zukunft ungewiss. Zwar betonen Rheinmetall und Lürssen, alle Standorte und Mitarbeiter zu übernehmen, doch ohne klare Tarifverträge, Standortgarantien und eine langfristige Perspektive sind solche Versprechen unsicher. Entscheidend wäre nicht nur der Erhalt von Arbeitsplätzen, sondern ihre Ausrichtung auf zivile und nachhaltige Produktion. Stattdessen droht eine noch stärkere Fixierung auf militärische Großaufträge.

Insgesamt ist die Übernahme weniger ein Zeichen der Stärke als vielmehr Ausdruck einer gefährlichen Einseitigkeit: Rüstung als Leitbranche, Krieg als Wachstumsmotor, Aufrüstung als Staatsraison. Anstatt die vorhandenen industriellen Kapazitäten im Sinne einer zivilen Transformation zu nutzen – etwa im Schiffbau für klimafreundliche Technologien, Küstenschutz oder zivile maritime Infrastruktur –, werden sie dem militärisch-industriellen Komplex untergeordnet.

Die Übernahme der Lürssen-Militärsparte durch Rheinmetall zeigt, dass in Deutschland wirtschaftliche, soziale und zivile Interessen zunehmend dem Primat der Aufrüstung untergeordnet werden. Es ist eine Politik, die den Rüstungssektor zum Leitmotor macht, Demokratie und gesellschaftliche Sicherheit unterminiert und den Weg für eine Militarisierung der Wirtschaft ebnet. Wenn wir weiterhin zulassen, dass Profitinteressen über Gemeinwohl und zivile Zukunftsperspektiven gestellt werden, wird Deutschland zu einem Land, das nicht Stärke und Sicherheit, sondern ein Rüstungssystem exportiert, das sich selbst verselbständigt.