Offener Brief von Walter Ruffler an die "Omas gegen Rechts" in Bremen

Liebe Omas gegen Rechts,

am 19.02.2022 haben Sie eine Menschenkette um das Bremer Rathaus gebildet unter dem Motto "Aufstehen für Demokratie". Sie sehen die Demokratie in Deutschland offenbar gefährdet durch die Proteste gegen staatliche Corona -Maßnahmen, wenn Sie in Ihrem Aufruf schreiben: "Bei diesen so genannten 'Spaziergängern' findet sich rechtslastiges, verschwörungstheoretisches und antisemitisches Gedankengut, genauso wie eine unreflektierte Impf- und Maskengegnerschaft unter einem Dach".

Ich möchte Ihre Aufmerksamkeit auf eine andere Gefährdung der Demokratie lenken, die von den demokratischen Instanzen selber ausgeht und erheblich bedrohlicher für unser Gemeinwesen ist als die Gefahr von Rechts.

Dazu ein kurzer persönlicher Erfahrungsbericht als jemand, der sich nicht gegen das Corona - Virus hat impfen lassen und nun zur Strafe durch die politischen Maßnahmen aus weiten Bereichen des gesellschaftlichen Lebens ausgesperrt wird, ohne dass dafür medizinische oder gesundheitspolitische Gründe vorliegen. Das administrative Instrument dafür ist die "2G"- Regel. Wo 2G herrscht, kommt kein Ungeimpfter rein, auch wenn er / sie einen ganzen Stapel von negativen Corona- Tests vorlegt. Hier einige Beispiele der Diskriminierung in den letzten Monaten:

1. Frühstück beim Bäcker nebenan - geht nicht,
2. spontanes Kaffeetrinken beim Stadtbummel - geht nicht,
3. Stadtbummel selber ist sinnlos, da überall 2G gilt,
4. Kleidung bei Karstadt kaufen - da ist 2G vor,
5. CDs bei Saturn kaufen - geht nicht,
6. ein Besuch im Figurentheater - kann ich knicken,
7. ein Opernbesuch - keine Chance,
8. Besuch der Kunsthalle - ist nicht drin,
9. Fahrradgeschäft - gehört nicht zum täglichen Bedarf,
10. ein Treff mit Freunden auf ein Bier, - geht alles nicht,
11. Haareschneiden beim Friseur nebenan - ist nicht möglich.

In einigen Fällen haben Verwaltungsgerichte der Länder einzelne Verbote der Exekutive aufgehoben, so das OVG Lüneburg den 2G- Zwang für den Einzelhandel in Niedersachsen, nachdem ein Einzelhändler geklagt hatte, während der Bremer Senat unverdrossen an 2G für den Einzelhandel festhielt und das Bremer Verwaltungsgericht ihm nicht widersprechen mochte. Doch Glück im Unglück: Bei einem Zwischenstopp in Hannover konnte ich dort meine Haare schneiden lassen, ein negativer Corona - Test reichte aus. Zum Haareschneiden in ein andres Bundesland fahren müssen - wie grotesk ist das denn? Als ich das am Samstag auf dem Marktplatz einer demonstrierenden Oma erzählte, meinte sie: "Dann lassen Sie sich doch impfen!" Da hat sie irgendwie recht - aber ist das mit "Aufstehen für Demokratie" gemeint?

So wie mir erging und ergeht es Millionen Mitbürgern, deren einziges "Vergehen" es ist, sich nicht impfen zu lassen, weil ihnen die schnell entwickelten Impfstoffe nicht geheuer sind und sie dadurch gesundheitliche Nachteile befürchten, was durchaus berechtigt ist, wie die "Sicherheitsberichte" des Paul-Ehrlich-Instituts zeigen. So registriert der Sicherheitsbericht vom 07.02.2022 "244.576 Einzelfallberichte zu Verdachtsfällen von Nebenwirkungen oder Impfkomplikationen nach Impfung mit COVID-19-Impfstoffen in Deutschland" (S. 7), in 29.786 Verdachtsfällen wurden "schwerwiegende unerwünschte Reaktionen gemeldet" (S. 8). "In 2.255 Verdachtsfällen wurde über einen tödlichen Ausgang (...) berichtet", und: "In 85 Einzelfällen, in denen Patienten an bekannten Impfrisiken (...) verstorben sind, hat das Paul-Ehrlich-Institut den ursächlichen Zusammenhang mit der Impfung als möglich oder wahrscheinlich bewertet" (S. 9).

Die Impfstoffe halten nicht das, was man sich und uns anfänglich versprochen hat. Es tritt keine sterile Immunität ein, eine Impfung schützt weder vor einer Ansteckung noch einer Erkrankung, noch verhindert sie einer Weitergabe des Virus. So schreibt Silke Mertins in ihrem Artikel "Aus der Zeit gefallen" am 17.02.2022 in der TAZ:

"Von einer Politik, die ihre Bürgerinnen und Bürger nicht für dumm verkauft, würde man erwarten, dass wenigstens einmal in aller Deutlichkeit gesagt wird: Der Stellenwert der Impfung hat sich drastisch verändert. Es geht nur noch um den Schutz vor einem schweren Verlauf. Doch noch immer wird von den maßgeblich Verantwortlichen in der Bundesregierung so getan, als sei die Impfung allein der Ausweg aus der Pandemie und ihre Verweigerung idiotisch und unsolidarisch."

Laut einem Bericht der Hans-Böckler-Stiftung vom 16.02.2022 sind nur noch 31 Prozent der Erwerbstätigen und Arbeitssuchenden zufrieden mit dem Corona- Krisenmanagement der Bundesregierung:
"Geimpfte Befragte, die in den letzten Monaten ihr Vertrauen ins Krisenmanagement der Politik verloren haben, haben sich beispielsweise signifikant seltener auch 'boostern' lassen." Der WSI - Forscher Dr. Andreas Hövermann stellt fest:
"Wir können somit anhand des Impfverhaltens während der Pandemie nachzeichnen, wie groß und verfestigt einerseits der Widerstand der Ungeimpften ist. Andererseits aber auch, wie im letzten Jahr einige so stark Vertrauen eingebüßt haben, dass sie ausgestiegen sind und sich beispielsweise nicht mehr boostern lassen wollen".

Obwohl aufgrund der hohen Ansteckbarkeit der Omikron - Variante eine Impfung an Bedeutung für die Volksgesundheit verloren hat, hält die Politik an der bereits beschlossenen "einrichtungsbezogenen Impfpflicht" für pflegende und medizinische Berufe fest und plant darüber hinaus eine allgemeine Impfpflicht. Diesen verordneten Stich in den Oberarm empfinde ich als Angriff auf meine körperliche Unversehrtheit und als flagranten Verstoß gegen Artikel 2 des Grundgesetzes. Darf eine Regierung eine medizinische Maßnahme anordnen und durch Androhung von Strafen durchsetzen, die schwerwiegende gesundheitliche Schäden und sogar den Tod nach sich ziehen kann? Bezogen auf Millionen von geimpften Personen mögen das wenige Fälle sein, doch wen es trifft, der hat den ganzen Schaden zu tragen.

Manche Politiker räumen ein, dass eine Impfpflicht die Weiterverbreitung des Virus nicht verhindert, aber dennoch wichtig sei, um eine Überlastung des Gesundheitssystems zu vermeiden, und es wird auf eine hohe Hospitalisierungsrate verwiesen. Doch einem Bericht von Welt-online vom 16.02.2022 zufolge "wird diese Zahl offenbar viel zu hoch angegeben":
"Die Corona-Lage in den Krankenhäusern ist offenbar besser, als offizielle Daten des Robert-Koch-Instituts (RKI) nahelegen. (...) Eine Umfrage unter leitenden Ärzten von mehr als 20 Kliniken habe ergeben, dass mindestens die Hälfte der dort stationär aufgenommenen Corona-Patienten nicht wegen einer Covid-19-Erkrankung behandelt wird, sondern aus einem anderen Grund. Dennoch finden viele dieser Fälle Niederschlag als Covid-19-Fälle in der Statistik des RKI... Die dort ausgewiesene Hospitalisierungsinzidenz dient der Bundesregierung als Begründung der Corona-Maßnahmen. (...) Und Tobias Welte, Direktor der Klinik für Pneumologie der Medizinischen Hochschule Hannover, wird mit den Worten zitiert: 'Zwei Drittel aller Corona-Befunde in unserer Klinik sind Zufallsbefunde. Omikron ist ein totaler Gamechanger.' Welte forderte demnach ein Umdenken: 'Wir können nicht mehr immer nur in Angst leben!'"

Nun sind von der Politik Lockerungen der Corona-Maßnahmen angekündigt, beim Einzelhandel entfällt die 2G-Regel, doch bleiben Gastronomie und Kultureinrichtungen für nicht Geimpfte weiterhin versperrt. Das ist gesundheitspolitisch umso verwunderlicher, weil beispielsweise Geimpfte ohne Test ins vollbesetzte Kino dürfen, obwohl sie Träger und Verbreiter des Virus sein können, während nicht Geimpfte auch mit negativem Corona-Test draußen bleiben müssen. Gesundheitspolitisch würde es umgekehrt mehr Sinn machen: Negativ Getestete erhalten Zugang, lediglich Geimpfte nicht.

Diese Sicht der Dinge wird auch durch den wöchentlichen Covid-19-Lagebericht des Robert-Koch-Instituts vom 17.02.2022 für die 3.- 6. Kalenderwoche 2022 bestätigt. Demnach gibt es bei den symptomatischen Covid-19-Fällen in der Altersgruppe 60 und älter fast doppelt so viele Personen mit Auffrischimpfung wie nicht Geimpfte (16.681 Erkrankte zu 8.869 Erkrankten). Dennoch lässt die Politik "Geboosterte" ohne Test überall rein, negativ getestete nicht Geimpfte dagegen nicht, man grenzt sie aus.

Das zeigt, das es der Politik bei der Ausgrenzung von nicht Geimpften nicht um Gesundheitspolitik geht, sondern um Schikane. Das ist nicht hilfreich für ein sich als demokratisch begreifendes Gemeinwesen.

Ich würde mich freuen, wenn die Bremer "Omas gegen Rechts" bei ihrer nächsten Rathaus-Umzingelung auf diese inakzeptable Diskriminierung von nicht Geimpften mit all ihren Folgen für demokratische Rechte und den Rechtsstaat hinweisen würden.

Und die Bedrohung der Demokratie durch leibhaftige Rechtsradikale? Dazu viererlei:

1. Natürlich haben auch Rechte das Recht, gegen die Einschränkung ihrer Grundrechte zu demonstrieren. Es macht ja gerade den Charme der Demokratie aus, nicht immer einer Meinung mit der jeweiligen Obrigkeit sein zu müssen.
2. Der Einfluss der Rechten auf die Corona-Proteste wird von Politik und Medien stark übertrieben, um die Proteste insgesamt zu diskreditieren. Leider ist auch der Aufruf der Bremer Omas nicht frei von dieser Tendenz.
3. Des weiteren hat der früher Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble Recht, wenn er laut Welt-online vom 24.05.2020 sagt: „Dass sich in solche Demonstrationen mitunter auch Personen mit abstrusen Theorien begeben, lässt sich nicht verhindern. Niemand ist vor dem Beifall von der falschen Seite sicher.“
4. Last not least servieren die "demokratischen Parteien" den Rechten das Thema auf einem silbernen Tablett durch die Einschränkung von Grundrechten und die Diskriminierung großer Bevölkerungsgruppen u.a. durch die 2G-Regel und die Einführung einer Impfpflicht.

Die "demokratischen Parteien" haben es in der Hand: Wenn sie die medizinisch nicht begründeten Einschränkungen der Grundrechte aufheben, nicht Geimpfte nicht länger als "Covidioten" (Saskia Esken) diskriminieren und ausgrenzen, die bestehende einrichtungsbezogene Impfpflicht annullieren und ihre Pläne für eine allgemeine Impfpflicht ad acta legen - dann entfällt auch der Anlass für weitere Corona- Proteste und damit wäre auch den Rechten ein Thema genommen. Wenn nicht, dürften die Proteste weiter zunehmen, weil die ins Abseits Geschobenen verstärkt versuchen werden, sich gegen die Missachtung ihrer Grundrechte zu wehren. Die Neue Ruhr Zeitung vom 16.02.2022 zählte allein für Nordrhein-Westfalen von Mitte Dezember 2021 bis Mitte Februar 2022 insgesamt 2.300 Corona- Proteste mit 380.000 Personen. Natürlich kann die Politik durch verstärkte Repression versuchen, die Proteste zu unterdrücken (durch Versammlungsverbote, den Einsatz von Schlagstöcken, Pfefferspray und Wasserwerfern zur Auflösung von nicht genehmigten Demos, durch Strafbefehle wegen Verstoß gegen das Versammlungsgesetz usw.), doch das ist nicht sonderlich förderlich für das demokratische Image der Bundesrepublik.

Wichtig wäre eine umfassende Evaluation von Sinn und Unsinn der einzelnen Corona- Maßnahmen in diesem Sommer, wenn die Viren voraussichtlich Pause machen. Der Verein Mehr Demokratie e.V. beispielsweise schlägt einen repräsentativ ausgelosten Bürgerrat vor, der das Thema diskutieren, Sachverständige befragen und einen Bericht für eine Debatte im Bundestag erstellen soll. Wichtig wäre auch, welche Erfahrungen andere Länder mit ihrer jeweiligen Corona- Politik gemacht haben. Besonders interessant wäre dabei Schweden, das weder einen Lockdown der Wirtschaft, weder eine allgemeine Maskenpflicht geschweige denn eine Debatte über eine allgemeine Impfpflicht kannte.

Sollte der Bundestag wirklich eine allgemeine Impfpflicht einführen, werden manche zähneknirschend der Gewalt weichen und sich wider ihrer Überzeugung impfen lassen. Ist das eines demokratischen Staates würdig? Andere - die es sich leisten können - werden Bußgelder zahlen, Zehntausende mit geringem Einkommen aber werden statt des Bußgeldes eine Ersatzhaft vorziehen. Vermutlich werden die Gefängniskapazitäten für diese Mengen nicht ausreichen, man wird für diese Leute Lager einrichten müssen. Wollen das die Omas, wenn sie für Demokratie aufstehen?

Über eine Antwort würde ich mich freuen und ein persönliches Gespräch ebenfalls - wenn es die Vorschriften erlauben.

Mit freundlichem Gruß

Walter Ruffler (Bremen, 22.02.2022)