Medienberichte über die Haltung von Bürgermeister Bovenschulte zu einer Gedenkstätte in Bremen-Oslebshausen

Pressemitteilung (11.11.2021) zu den Medienberichten über die Haltung von Bürgermeister Bovenschulte zu einer Gedenkstätte in Bremen-Oslebshausen

Will der Bremer Bürgermeister Bahnwerkstatt-Bebauung in Oslebshausen durchboxen?
Friedensforum und Bürgerinitiative schlagen alternativen Standort für Bahnwerkstatt vor

Bremen. Nach übereinstimmenden Medienberichten hat sich Bremens Bürgermeister Andreas Bovenschulte gegen eine Gedenkstätte auf dem Gelände des Gräberfelds sowjetischer Naziopfer in Oslebshausen positioniert. Damit wendet er sich gegen entsprechende Forderungen von Anwohnern, der Bürgerinitiative Oslebshausen, des Bremer Friedensforums und der Partei Die Linke.

„Ein Entschluss des Bürgermeisters ist noch kein Beschluss. Nach unseren Recherchen vom Frühjahr und aufgrund der bisherigen Ergebnisse der Ausgrabungen durch die Landesarchäologie sehen wir in dem Areal eine völkerrechtlich geschützte Kriegsgräberstätte und bleiben bei unserer Forderung für die Errichtung einer Gedenkstätte an der Reitbrake“, erklärt Ekkehard Lentz vom Bremer Friedensforum.

Dieter Winge von der "Bürgerinitiative Oslebshausen und umzu" ergänzt: „Wo sind nun die mindestens 300 vermissten Leichname? Die Fülle an Funden zeigt doch, dass die Exhumierung 1948 schlampig und unvollständig war. Wir müssen davon ausgehen, dass über 300 Körper an diesem Ort verwest sind. Eine andere plausible Erklärung gibt es nicht.“

Die Bremer Landesarchäologie hat einen Schädel, Knochenfragmente und Erkennungsmarken gefunden. Insgesamt gibt es über 2000 Funde. Prof. Halle sagt: „Vor Beginn der Grabungen hatten wir nicht damit gerechnet, dass hier tatsächlich noch so viel unter der Erde liegt.“ ( https://rb.gy/wckzvh) Und weiter: „Nun müssen wir feststellen, dass die Exhumierung unvollständig war.“ ( https://rb.gy/js4v0v)

Völkerrechtlich ist es unerheblich, ob ganze Skelette, wichtige Knochen oder nur Knochenfragmente gefunden werden. Relevant ist, ob die Leichname rechtzeitig exhumiert und umgebettet wurden. Das Ruherecht ist gemäß Gräbergesetz und internationaler Abkommen dauernd. Die Gräber sind über 80 Jahre in Bremen-Oslebshausen verblieben und können nun aufgrund der Verwesung nicht mehr gefunden, exhumiert und umgebettet werden. Dieser Umstand ist allein den Regierungen Bremens seit Ende des Zweiten Weltkrieges anzulasten. Keine Regierung hat sich darum gekümmert, die NS-Verbrechen vollständig aufzuarbeiten.

Der Bremer Senat hatte am 21. August 1947 die Einrichtung eines Ehrenfriedhofs für die auf dem sogenannten „Russenfriedhof“ bestatteten ungefähr 800 sowjetischen Kriegsgefangenen gefordert. Warum es dann aber nicht dazu kam und nur 446 - statt aller schätzungsweise 800 - Leichen exhumiert und nach Bremen-Osterholz umgebettet wurden, ist unbekannt und heute wohl auch nicht mehr zu ermitteln. Befremdlich bleibt, dass die politisch Verantwortlichen in der Stadt Bremen als Eigentümerin des Grundstücks an der Reitbrake offenbar bis vor Kurzem nicht um dessen schwer belastete Historie gewusst haben. Erst nach den Recherchen aus der Zivilgesellschaft konnte die Landesarchäologin in Aktion treten.

Bürgermeister Bovenschulte sagte anlässlich einer Erinnerungsveranstaltung zum 80. Jahrestag des Überfalls Hitler-Deutschlands auf die Sowjetunion im Juni dieses Jahres: „Die systematische Brutalität und Menschenverachtung, die Zahl der Opfer und auch die Vernichtung von Lebensgrundlagen und Kulturgütern erreichten nie gekannte Ausmaße und die Dimensionen des Horrors dieses von Nazi-Deutschlands geführten Krieges erscheinen uns heute geradezu unfassbar, sind aber historische Realität, der wir uns stellen müssen.“ Hieran muss sich Bürgermeister Bovenschulte messen lassen.

Die Frage der Bewertung des Geländes in Oslebshausen nach dem humanitären Völkerrecht dürfte sich in den nächsten Wochen zuspitzen. Die Bürgerinitiative Oslebshausen und das Bremer Friedensforum prüfen juristische Schritte, nachdem ein eindeutiges Gutachten von Professor Robert Heinsch (Universität Leiden) vorliegt. Heinsch ist eine der weltweit führenden Kapazitäten im internationalen humanitären Völkerrecht. Er kommt mit seinem Team zu folgender Bewertung des Sachverhalts ( https://rb.gy/i4ldag): „Die Errichtung einer Bahnwerkstatt auf dem Areal einer Kriegsgräberstätte, wo Verstorbene ihren letzten Ruheort gefunden habe, ist also nicht mit dem humanitären Völkerrecht vereinbar, wenn deren sterblichen Überreste nie exhumiert und umgebettet worden sind.“

Das Bremer Friedensforum und die Bürgerinitiative fordern von der Bremer Landesregierung, die Planungen für die Bahnwerkstatt unverzüglich einzustellen. Die Bürgerinitiative Oslebshausen appelliert an den Senat, endlich den seit einem Jahr vorliegenden alternativen Standort für die Bahnwerkstatt an der Oldenburger Kurve ernsthaft zu verfolgen. Der Bremer Senat wird aufgefordert, das Grundstücksangebot gegenüber der Landesnahverkehrsgesellschaft Niedersachsen und Alstom zurückzuziehen.

Nachsatz:
Über 100 Artikel und Fernsehbeiträge gibt es mittlerweile zum Thema Bahnwerkstatt und dem damit untrennbar verbundenen sogenannten "Russenfriedhof". Sie finden das gesamte Spektrum von der linken "Ossietzky" über russische TV-Sender bis hin zur konservativen Frankfurter Allgemeinen Zeitung. Allen Veröffentlichungen ist gemein, dass ihnen das Vorgehen des Bremer Senats suspekt ist.

Dieter Winge
Bürgerinitiative Oslebshausen und Umzu

Ekkehard Lentz
Sprecher Bremer Friedensforum