Leserbriefe zum Artikel "Ich bin nicht hier, um zu gefallen" im Weser-Kurier vom 23.01.2020

1) Der Artikel über die Veranstaltung der SPD-Bundestagsfraktion mit Sahra Ryglewski, Rolf Mützenich und Dr. Cornelius Friesendorf am 21.01.2020 im Haus der Wissenschaft hat mir nicht gefallen, um eine Aussage von Mützenich und den Titel Ihres Artikel zu paraphrasieren. Bedauerlich, dass Sie (gemeint ist der Autor Norbert Holst - EL) nichts aus dem Vortrag des Wissenschaftlers Friesendorf zitieren, der zu "Mut zur Bescheidenheit" aufforderte, indem er "Die Grenzen deutscher Außen- und Sicherheitspolitik" aufzeigte. Er hinterfragte - durch Beispiele untermauert - den Sinn von Auslandseinsätzen der Bundeswehr und verlangte eine Evaluation z.B. des mittlerweile seit 19 Jahren dauernden Einsatzes in Afghanistan. Leider gingen beide SPD-Politiker nicht darauf ein. Ziemlich daneben finde ich die Passage: "Bei der Podiumsdiskussion merkt eine ältere Frau in kritischem Ton an, dass die Mehrheit der Deutschen doch gegen die Bundeswehreinsätze sei. Der SPD-Politiker entgegnet selbstbewusst: 'Ich bin nicht hier, um ihnen zu gefallen'. Gelächter im Publikum." Gelächter wegen der Antwort, mit der Mützenich vom Kern der Frage ablenkte, die auf die Differenz zwischen Bevölkerungsmehrheit und politischen Entscheidungsträgern in Berlin abzielte? Oder Gelächter weil eine "ältere Frau" eine Ihrer Meinung nach blöde Frage gestellt hatte? Wie sehr sich die politische "Elite" über die Widerspenstigkeit der Bevölkerung bei globalen Einsätzen der Bundeswehr ärgert, macht eine Aussage des heutigen Bundespräsidenten Frank-Walter Steinmeier deutlich, als er noch Außenminister war. Im Spiegel vom 20.05.2014 heißt es: "Steinmeier sprach am Dienstag bei einer Konferenz in Berlin von einem 'tiefen Graben' zwischen der breiten Öffentlichkeit und der außenpolitischen Elite, der überwunden werden müsse. 'Politik muss sich über solche Gräben hinwegbewegen, damit sie handlungsfähig bleibt'" - also Volkes Meinung ignorieren! Das also versteht Steinmeier unter "Demokratie"?! Man ignoriert, wenns nicht passt? Sowas qualifiziert zum Amt des Bundespräsidenten? Nun wird der dumme Lümmel, das Volk, schon seit Jahren kräftig massiert, von Ursula von der Leyen damals, von Annegret Kramp-Karrenbauer heute, von Bundespräsident Joachim Gauck damals und von Steinmeier heute: Deutschland solle international "mehr Verantwortung" übernehmen, womit letztlich Bundeswehreinsätze gemeint sind. Viele Journalisten assistieren unseren Spitzenpolitikern bei der Massage der Bevölkerung, leider auch der Leiter der Politikredaktion des Weser-Kurier. Insofern - Hut ab - dass welt-online auch am 11.09.2018 noch schreiben konnte: "Fast drei Viertel der Deutschen gegen Bundeswehr-Einsatz in Syrien". So soll es bleiben.
Walter Ruffler

2) Ich bin die ältere Frau, die im Artikel genannt wird. Ich hatte Sarah Ryglewski und Rolf Mützenich gefragt, ob sie den Einsatz der Bundeswehr in Syrien, die Anerkennung der Putschregierung in Venezuela und die US-amerikanische Nutzung der Airbase Ramstein für Drohnenmordefür völkerrechtskonform halten. Sarah Ryglewski sagte, sie habe aus persönlichen Gründen gegen den Syrieneinsatz gestimmt, zu Venezuela war sie nicht informiert, verwechselte Venezuela mit Bolivien. Rolf Mützenich erzählte, warum er für den Bundeswehreinsatz im Irak (!) gestimmt habe und dass es ihm lieber gewesen wäre, wenn Außenminister Maas sich in Bezug auf Venezuela zurück gehalten hätte. Zu Ramstein sagten beide nichts. Leider kam das Völkerrecht in keiner Antwort vor. Leider berichtete auch der Weser Kurier weder über meine Fragen noch über die ausweichenden Antworten.Der Vorwurf, Russland habe auf der Krim das Völkerrecht gebrochen, dient als Begründung für das größte US-Manöver seit dem Kalten Krieg mit Unterstützung vieler Nato-Staaten an der russischen Grenze. Da wäre es doch interessant gewesen zu erfahren, wie es die deutsche Außenpolitik mit dem Völkerrecht hält.
Barbara Heller