Leserbrief zu "Härtere Regeln beim Bürgergeld" (WK 18.06.2025)

Mit wachsendem Befremden habe ich die jüngsten Äußerungen der Bundesarbeitsministerin zur geplanten Verschärfung der Bürgergeld-Sanktionen gelesen – ebenso den zustimmenden Kommentar im WESER-KURIER. Was als pragmatische Sozialpolitik dargestellt wird, offenbart eine gefährliche Schieflage: Statt soziale Teilhabe zu ermöglichen, stellt man Bedürftige unter Generalverdacht und droht mit Leistungskürzungen – obwohl das Bundesverfassungsgericht 2019 genau diese Praxis in weiten Teilen für unzulässig erklärt hat.

Das Bürgergeld bleibt trotz aller Reformversprechen dem repressiven Geist von Hartz IV verhaftet. Die Regelsätze liegen bereits am Rand des Existenzminimums. Jede Kürzung untergräbt nicht nur das Lebensnotwendige, sondern verletzt die in Artikel 1 garantierte Menschenwürde. Sanktionen wirken nicht – sie schaden. Studien zeigen, dass sie nicht in Arbeit führen, sondern oft gesundheitliche und soziale Folgen haben. Besonders Kinder leiden indirekt mit. Armut wird vererbt – auch durch ein System, das kontrolliert statt unterstützt.

Dabei gäbe es Alternativen: Eine Arbeitslosenversicherung, die Lebensleistung anerkennt. Eine Grundsicherung, die auf Bedarf statt auf Misstrauen basiert. Und eine Kindergrundsicherung, die diesen Namen verdient. Wer Sanktionen lobt, verkennt die Lebensrealität vieler Betroffener. Ein Sozialstaat, der die Würde des Menschen ernst nimmt, braucht keine Strafen – sondern Vertrauen, Respekt und konkrete Hilfe.

Manfred Steglich, Bremen (19.06.2025)