Benjamin Piels Kommentar beschreibt die Finanzierungskrise sozialer Projekte in Bremen als potenzielle Chance zur „Reinigung“ ineffizienter Strukturen. Diese Perspektive ist nicht nur zynisch, sondern eine gefährliche Verdrehung der Realität.
Die Vorstellung, dass jede „Krise“ (als seien Misswirtschaft und Fehlplanung eine Art Naturereignis) eine Chance sei, dient hier vor allem dazu, Kürzungen als Notwendigkeit zu verkaufen. Doch für die Betroffenen – Beschäftigte und Nutzer:innen der Sozialprojekte – bedeutet diese Krise nicht etwa eine Möglichkeit zur „Neuordnung“, sondern den unmittelbaren Verlust existenzieller Unterstützung und Erwerbsgrundlagen. Mütterzentren, Beratungsstellen und Alphabetisierungskurse sind keine ineffizienten Strukturen, sondern essenzielle Stützen sozialer Gerechtigkeit. Wer ihren Wegfall als willkommene Gelegenheit zur „Bereinigung“ von Doppelstrukturen sieht, verschweigt, dass hier nicht Bürokratie, sondern konkrete soziale Hilfen abgewickelt werden.
Herrn Piels Hoffnung, dass Betroffene nun in „reguläre Jobs“ wechseln könnten, ignoriert die Realität des Arbeitsmarkts. Die Vorstellung, dass diese Menschen einfach in normale Beschäftigung „umgeleitet“ werden könnten, ist eine neoliberale Mär. Viele von ihnen haben ohne gezielte Förderung kaum Chancen auf dem Arbeitsmarkt – eben weil sie sich nicht aus freien Stücken in diesen Projekten engagieren, sondern weil sie auf sie angewiesen sind. Lohnkostenzuschüsse lösen nicht das Problem, dass die entsprechenden Jobs schlicht nicht existieren.
Der eigentliche Skandal liegt nicht in vermeintlicher Ineffizienz oder Doppelstrukturen, sondern in einer neoliberalen Kürzungslogik, die soziale Infrastruktur als verzichtbar betrachtet. Dass Bremen in Zeiten wachsender sozialer Ungleichheit nun gezwungen sein soll, „klarer zu priorisieren“, bedeutet nichts anderes, als dass man sich von sozialen Hilfsangeboten verabschiedet, die zuvor mühsam aufgebaut wurden. Was hier als „Chance“ verkauft wird, ist in Wahrheit ein massiver sozialer Rückschritt. Statt einer „Reinigung“ braucht Bremen eine politische Entscheidung für eine stabile, langfristige Finanzierung von Sozialprojekten – und zwar nicht als gnädige Geste, sondern als selbstverständlichen Teil sozialer Verantwortung.
Mit freundlichen Grüßen
Manfred Steglich (Bremen 31.03.2025)
Wurde mit ein paar Kürzungen im Weserkurier vom 5.4.2025 veröffentlicht: