Peter Sörgel zur Situation von ArcelorMittal Bremen und dem Beschluss des LPT der SPD

Peter Sörgel 2023Liebe Freundinnen und Freunde,

Auf dem Landesparteitag der Bremer SPD am 27. September 2025 haben die Delegierten über die Situation von ArcelorMittal Bremen diskutiert. Beschlossen wurde ein Antrag, in dem eine finanzielle Hilfe des Stadtstaates nicht ausgeschlossen wurde, falls die Hütte in Schieflage gerät.

Für den Bremer Journalisten Axel Schuller war das Anlass, in seinem Blog „Bremen so gesehen“ diesen Beschluss vor dem Hintergrund der hohen Schuldenlast Bremens deutlich zu kritisieren. Dazu mein Blog- Kommentar:

"Auf Antrag der Jusos wurde ein Beschluss des Landesparteitages der SPD zu ArcelorMittal Bremen um folgende Passage ergänzt: „Sollte es zu einer konkreten Gefährdung der Zukunft des Stahlwerks kommen, darf eine staatliche Intervention – zum Beispiel in Form einer Beteiligung wie in Niedersachsen und im Saarland – nicht von vornherein ausgeschlossen werden.“
Mit diesem Beschluss haben die Bremer Delegierten deutlich gemacht, dass nicht nur der Senat, sondern auch die Bremer SPD für „ihre Hütte“ einstehen. Das ist ein Zeichen praktischer Solidarität und keine „politische Fußfessel“ für den Bürgermeister. Denn, dass dieser Beschluss jemals das praktische Handeln bestimmt, ist gänzlich ausgeschlossen. Warum ist das so?

1992 schlitterten die Klöckner-Werke AG, Teil des ehemals größten europäischen Familienkonzerns in die Zahlungsunfähigkeit. Die Hütte Bremen mit damals 7000 Beschäftigten war das erkorene Opfer der Konkurrenz an Rhein und Ruhr. Die Hütte sollte nach deren Vorstellungen komplett stillgelegt werden. Mit einem Kraftakt schaffte es damals der Bremer Senat, ein „Interessentenmodell“ zu basteln, in das er durch einen Teilverkauf der Stadtwerke 250 Millionen DM einbrachte. Diese Kapitalzufuhr und die Absicht des belgisch- luxemburgischen Konzerns Sidmar, die Hütte Bremen zu übernehmen, boten die Grundlagen für die weitere Existenz des Stahlstandorts an der Weser.

Wie anders ist die Situation heute. Es geht nicht um den einen Standort, es geht um die Zukunft der deutschen, der europäischen Stahlindustrie. Die Hütte gehört zu ArcelorMittal, einem weltweit agierenden Stahlkonzern mit einem Umsatz von 62 Milliarden USD und 125.000 Mitarbeitern. Da sind zwei Jahre, in denen die Hütte-wie auch alle anderen deutschen Stahlunternehmen- Verluste geschrieben hat, verkraftbar. Dass sich der Konzern aus der BRD mit ihrem bedeutenden Automobilsektor zurückzieht, ist schwer vorstellbar.

ArcelorMittal hat in seinen deutschen Standorten die Transformation zu grünem Stahl verschoben und Milliardenbeträge der Bundesregierung als Anschubfinanzierung ausgeschlagen, nicht, weil der Konzern die Standorte in Frage stellt, sondern weil die Grundlagen für sichere Investitionsentscheidungen fehlen. Angeführt werden hohe Stromkosten, steigende CO2 Bepreisung, kein Wasserstoffnetz, Importe aus China und Osteuropa usw. Das gilt auch für ThyssenKrupp und Salzgitter, die ähnlich handeln, wenn sie weitere Investitionsentscheidungen verschieben.

Ändert sich nichts an diesen Rahmenbedingungen, dann steht die deutsche Stahlindustrie auf der Kippe. Ob der für Oktober geplante Stahlgipfel mit Bundeskanzler Merz zu einem Durchbruch führt, ist ungewiss."

Peter Sörgel*

*Sörgel war in den 1960er Jahren aktiv in der Berliner Studentenbewegung, von 1983 bis 1996 war er Betriebsratsvorsitzender der Klöckner Werke, später Stahlwerk Bremen. 1994-1996 Präsident der Arbeiterkammer Bremen, 1995-1999 für die SPD Mitglied der 14. Bremischen Bürgerschaft. Er ist Mitglied der Gewerkschaft IG Metall.