Oskar Lafontaine zum Wahlausgang

Die erneuten Verluste der beiden "Volksparteien" CDU und SPD bei den Europawahlen sind eine Absage an die Politik der letzten Jahre. Eine große Mehrheit der Wählerinnen und Wähler will sich mit dem Sozialabbau, dem großen Niedriglohnsektor, steigenden Mieten, Pflegenotstand, von Jahr zu Jahr steigender Ungleichheit und einer zunehmenden Militarisierung der Außenpolitik nicht mehr abfinden. Vor allem in der Jugend nehmen die Lebensängste angesichts des sich verstärkenden Klimawandels zu. Sie ist nicht mehr bereit, hinzunehmen, dass notwendige umweltpolitische Entscheidungen immer wieder aufgeschoben werden, weil die Industrielobby die Politik der Groko in zu starkem Maße bestimmt.
 
Erstaunlich ist das starke Abschneiden der Partei "Die Grünen", da sie in den vergangenen Jahren für Waffenexporte in Spannungsgebiete, eine Beteiligung der Bundeswehr an den Rohstoff-Kriegen und eine Verstärkung der Konfrontation gegenüber Russland ebenso Verantwortung trug wie die Parteien der "großen Koalition". Und beim Sozialabbau waren sie eifrig dabei. Darüber hinaus sind die Grünen dort, wo sie regiert haben oder regieren, mitverantwortlich für unter Umweltgesichtspunkten zweifelhafte Vorhaben wie das Großprojekt Stuttgart 21, den Ausbau des Frankfurter Flughafens, die Abholzung des Hambacher Forstes, oder die Elbvertiefung. Sie profitieren darüber hinaus als Befürworter der bestehenden Wirtschaftsordnung und damit der geltenden Besitz- und Herrschaftsstrukturen ebenso wie die übrigen Regierungsparteien von Spenden der Banken und Konzerne.

Die Partei DIE LINKE hat mit 5,5 Prozent das bundesweit schlechteste Ergebnis seit ihrer Gründung eingefahren und selbst das Ergebnis der PDS bei der Europawahl 2004 (6,1 Prozent) unterboten. Es gelang ihr auch offensichtlich nicht, enttäuschte sozialdemokratische Wählerinnen und Wähler zu gewinnen. Sie muss daher eine ehrliche Diskussion darüber führen, ob die Strategie der vorrangigen Konzentration auf die sogenannten "urbanen Schichten" wirklich erfolgversprechend ist. Nicht innerparteiliche Grabenkämpfe dürfen dabei im Vordergrund stehen, sondern das Bemühen, der Jugend, den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern, Arbeitslosen und Rentnern wieder ein überzeugendes Angebot zu machen.