Leserbrief zum Artikel „Querdenker-Demo verhindert“ im Weser-Kurier vom 06.12.2020

Sehr geehrte Damen und Herren!

walter rufflerIn Bremer Schulen findet Unterricht in ganzen Klassenverbänden ohne Abstand und ohne Maske statt. In vollgepackten Bussen und Straßenbahnen fahren BremerInnen täglich zu ihren Arbeitsplätzen und Geschäftsleute sitzen eng an eng in Flugzeugen. Vor diesem Hintergrund wirken die medizinischen Gründe von Innensenator Mäurer für das Verbot der „Querdenker“-Demo reichlich unglaubwürdig. Zumal eine Ansteckung an der frischen Luft sehr unwahrscheinlich ist. Offensichtlich misst der Bremer Senat mit zweierlei Maß. Man mag von den Ansichten der Querdenker halten was man will, aber auch für sie gilt Artikel 8 des Grundgesetzes, in dem es heißt: „Alle Deutschen haben das Recht, sich ohne Anmeldung oder Erlaubnis friedlich und ohne Waffen zu versammeln.“ Es ist ein Recht der politischen Minderheit, sich für ihre Anliegen Gehör zu verschaffen, ein wichtiges Element der Bürgerbeteiligung und grundlegend für ein demokratisches Staatswesen. Dass das Bundesverfassungsgericht das Demo-Verbot bestätigt hat, macht es nicht besser.
Als klar war, dass keine 20.000 Demonstranten zu erwarten waren sondern nur einige Hundert, hätte Mäurer die Polizeikollegen aus den anderen Bundesländern eigentlich nach Hause schicken können. Doch um den gewaltigen Aufwand an Mensch, Tier (Pferde- und Hundestaffeln), und Material (allein 7 Wasserwerfer wurden gesichtet) zu rechtfertigen, wurden die Beamten aus Berlin in den Bürgerpark geschickt, um Spaziergänger mit Kerzen aufzuspüren und Knöllchen zu verteilen. Der martialische Höhepunkt der staatlichen Machtdemonstration war am späten Samstagabend die Verwandlung des Bremer Marktplatzes in eine polizeiliche Wagenburg durch Dutzende von Mannschaftswagen, um eine Handvoll Zivilisten einzufangen, von denen keinerlei Gefahr für die öffentlichen Sicherheit ausging. Wenn ich bedenke, wie locker die Innenbehörde mit täglich tausendfachen Verstößen gegen die Straßenverkehrsordnung umgeht (aufgesetztes Parken, überhöhte Geschwindigkeit und chronisches Überfahren roter Ampeln), dann erscheint mir das Schreiben von 700 Anzeigen wegen Ordnungswidrigkeiten gegen friedliche Spaziergänger am Samstag recht wenig hanseatisch zu sein.

Walter Ruffler (eingereicht 08.12.2020 und s.u. im Weserkurier am 11.12.2020  in gekürzter Form veröffentlicht)

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