Die Bremische Evangelische Kirche übergibt eine Gröpelinger Kita an eine profitorientierte "pme Familienservice GmbH"

Daseinsvorsorge, darunter die Kita-Versorgung soll nach dem Willen der SPD/Grün/Linke Koalition weiter privatisiert werden, wir berichteten ausführlich bereits am 18.02.2020.

Rathaus und Dom und Kita PrivatisierungJede zweite neue Kita in Bremen ist schon im Besitz und im Betrieb von Investoren, die sich Dank staatlicher Kita-Platz-Finanzierung an solchen sicheren, stabilen und Profit garantierenden Investitionsobjekten bereichern können. Kinder- und Elterninteressen spielen dabei nur die zweite Geige. Was das alles mit "Links" oder mit "Grün" zu tun hat, weiß nur der liebe Gott, die Bremische Evangelische Kirche ist nämlich in diesem Fall auch im Spiel. Eine Konstruktion wie aus dem Tollhaus des neoliberalen Wahns. Bremen hat angeblich kein Geld für Kitas, obwohl es ja gerade 1200 Millionen Corona-Kredite aufgenommen hat, um "die gelockdownte Wirtschaft" damit zu retten. Und zu allem Überfluss verhökert nun die klamme BEK, der die Mitglieder davonlaufen, ihr Gemeindehaus an der Lütjenburger Straße in Gröpelingen, um mit den 800.000 Euro Ertrag ihr benachbartes Gotteshaus umzubauen.

Naheliegend wäre ja gewesen, dass diese Kita sich einreiht in den Landesverband Evangelischer Tageseinrichtungen, aber Pastor Rolf Blanke und Jürgen Theiner vom Weserkurier vom 16.08.2020 belehren uns gleich eines Besseren. Die "pme Familienservice GmbH, die bundesweit 75 Kinderbetreuungs- und Bildungseinrichtungen betreibt", soll es sein. Dahinter steckt die Global Education GmbH mit Sitz in Frankfurt am Main.

Und wie sieht es in diesen profitorientierten Kitas für die Beschäftigten mit dem Tarifvertrag des Öffentlichen Dienstes TVÖD aus, wie er sonst in allen kommunalen und kirchlichen Kitas angewendet wird?

Aber Global Education GmbH mietet das Gebäude nur, genauso wie in der KiTA in der Sonneberger Str. in der Vahr. Der neue ganz weltliche Immobilienbesitzer (der Vermieter) ist die hauptsächlich auf Kapitalanlage in Pflegeimmobilien spezialisierte Specht-Gruppe. Auf der Web-Seite (https://www.spechtgruppe.de/unternehmensportrait) der Specht-Gruppe heißt es: "Seit 1988 ist die inhabergeführte Specht Gruppe auf die Projektierung, den Bau, den Betrieb sowie den Vertrieb von Pflegeimmobilien spezialisiert. Darüber hinaus gehören zur Firmenfamilie zahlreiche Wohnanlagen für Senioren in Bremen, Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen, die stationär-ambulante Reha-Klinik am Sendesaal in Bremen und der ambulante Weser Pflegedienst mit Niederlassungen in Bremen, Bremerhaven, Stuhr und Cuxhaven sowie fünf Tagespflegeeinrichtungen. Die Vertriebsabteilung ist kompetenter Ansprechpartner für Investoren, die sich für Pflegeimmobilien als renditestarke Kapitalanlage interessieren. Im Frühjahr 2017 hat sich die Residenz-Gruppe Bremen in Specht Gruppe umbenannt. Nur wenige Monate später wurde die Betreibergesellschaft für stationäre Pflegeeinrichtungen, die "Specht & Tegeler Seniorenresidenzen", gegründet."

Laut Weserkurier hat den Deal in Gröpelingen, wie auch in der Vahr, eine ehemalige Mitarbeiterin der Bremischen Evangelischen Kirche (BEK) maßgeblich eingefädelt, Dr. Ilse Wehrmann. Ihre Firma, die Wehrmann Education Consulting, berät "bundesweit Unternehmen und Träger von Kindertageseinrichtungen beim Auf- und Ausbau betrieblicher Kindertageseinrichtungen". Wehrmanns vorangestelltes "Erziehungs"-Motto ist unverblümt kapitalverwertungsorientiert, sie schreibt: „Bildung ist die wichtigste Ressource unseres Landes, die es uns ermöglicht, auch in Zukunft wettbewerbsfähig zu bleiben. Bildung beginnt nicht erst mit dem Eintritt in die Schule, sondern von Anfang an: mit der Geburt.“ Hier schimmert altes lutherisches Fleiß und Gehorsam Ethos aus dem 19. Jahrhundert doch allzu deutlich hervor, sogar von der ersten Lebensminute an sind kleine Menschlein "Ressourcen" für "Wettbewerbsfähigkeit".

Deshalb ein kurzer Exkurs dazu aus einem 150 Jahre zurückliegenden Tollhaus:

Die Industrialisierung im 19. Jahrhundert ließ die Macht der aufstrebenden Kapitalistenklasse in Europa stetig wachsen. Die reaktionären Feudalkräfte in den zersplitterten deutschen Fürstentümern konnten, voller Furcht vor den revolutionären Ereignissen in Frankreich (und 1948 in Deutschland), für ihren Machterhalt unter Bismarcks Führung ein Bündnis schmieden mit dem aufstrebenden Kapital und setzten dabei als ideologische Bindekraft erfolgreich auf eine religiöse Allianz mit der evangelischen Kirche in Preußen. Bismarck, Angehöriger des ultrakonservativen, landbesitzenden Adels in Preußen, war Angehöriger der lutherischen Konfession. Im Deutsch-Französischen Krieg von 1870/71 war er die treibende Kraft bei der Gründung des Deutschen Reiches. Mit der Kaiserkrönung des preußischen Königs Wilhelm I in Versailles sicherte sich das "zu spät gekommene" imperialistische Deutsche Reich seinen eingeschränkten Platz im Wettbewerb um koloniale Ressourcen und Absatzmärkte. Aber diese "Wettbewerbsfähigkeit" war war nur vorübergehend gesichert. Bis sie an die Grenzen der konkurrierenden Imperialisten stieß. Der Beginn des 1. Weltkriegs zur Raumeroberung wurde von der Evangelischen Kirche mit Pomp und Pathos gefeiert. Wie wir wissen war das nur der Vorläufer zu noch zerstörerischeren Folgekriegen.

Zum Glück gibt es auch ganz andere Kräfte in der BEK, wie dieser offene Brief von 90 Bremer Pastoren an Annegret Kramp-Karrenbauer gegen die Anschaffung bewaffneter Drohnen zeigt.

(von Rodolfo Bohnenberger)