Friedenspolitische Sicht auf die aktuelle Außenpolitik Deutschlands

AK Frieden Abrüstung Außenpolitik von aufstehenDer bundesweite Arbeitskreis FRIEDEN, ABRÜSTUNG und AUßENPOLITIK innerhalb der Sammlungsbewegung #aufstehen hat sich am 26.01.2022 auf folgende "Friedenspolitische Sicht auf die aktuelle Außenpolitik der Bundesrepublik Deutschland" geeinigt :

Im Kapitel VII des Koalitionsvertrages (1) der deutschen Bundesregierung überwiegen Formulierungen, welche die bereits seit Jahren durch die westlichen Länder und Deutschland verfolgte Politik fortsetzen. Das betrifft die Militarisierung der Außenpolitik, Verhängung von Sanktionen und eine fortwährende Konfrontation ohne Berücksichtigung legitimer Interessen anderer Staaten. Diese Politik wird umschrieben mit wertebasierter Politik (2), die anstelle des Völkerrechts gesetzt wird und im Kern eine einseitige Interessenpolitik ist. Mit den als „autoritär“ bezeichneten Staaten China und Russland wird eine Konfrontationspolitik betrieben und als Systemwettbewerb umschrieben. Bestehende Konflikte eskalieren dadurch weiter, wodurch sich die Kriegsgefahr entscheidend verschärft hat.

antikriegskundgebung30819Wir fordern:

  • Die Ächtung des Krieges oder dessen Androhung als Mittel der Politik.
  • Die Rückkehr zu einer Politik der gemeinsamen Sicherheit, der Deeskalation und Diplomatie, des Perspektivwechsels zum Zwecke gegenseitigen Verständnisses und des Verzichts auf Dämonisierung von Führungspersonen des „Gegners“.
  • Den Stopp einseitiger Strafmaßnahmen und Sanktionen.
  • Den Abbau von militärischer Bedrohung und Manövern auf allen Seiten.

Die Koalition favorisiert den Aufbau einer Verteidigung integrationsbereiter EU-Staaten, um international „handlungsfähiger“ zu werden. Sie zieht damit „falsche Lehren“ aus dem katastrophalen Einsatz der NATO-Staaten in Afghanistan und macht einen weiteren Schritt zur Militarisierung der EU. Erschwerend wirken sich die unversöhnlich antirussische Politik osteuropäischer Staaten und eine fehlende parlamentarische Kontrolle einer zukünftigen EU-Armee aus.

Wir fordern:

  • Die Konzentration der EU auf eine der Diplomatie und des Ausgleichs verpflichteten Außenpolitik, denn Menschenrechte und humanistische Werte können nicht mit Bomben, „regime changes“ oder nach dem „Recht des Stärkeren“ geschützt werden.
  • Die Abkehr vom weiteren Aufbau einer Interventions-Armee, welche eine weitere Ressourcenverschwendung bedeutet.
  • Die Umgestaltung der EU in eine demokratische Friedens- und Sozialunion, festgelegt auf einen zivilen Charakter, die sich für eine kooperative und solidarische Außen- und Entwicklungspolitik einsetzt.
  • Ein wirksames Handeln der EU zur Rettung des Iran-Atomabkommens.

fallingbostel 5.7.20Die Koalition beziffert die Militärausgaben, die Entwicklungshilfe und die Außenamtsmittel mit insgesamt 3 % vom BIP (3) und erklärt die Erfüllung seiner NATO-Verpflichtungen, 2 % vom BIP entsprechend ca. 70 Milliarden Euro (4) (Stand 2019) für Militärausgaben bereitzustellen. Über eine weitere Erhöhung wird bereits diskutiert. Bezogen auf den Haushalt 2021 entsprechen die 70 Milliarden Euro 14 % des Haushaltes (5) und bedeuten eine Steigerung um mindestens weitere 20 Milliarden Euro. Die NATO-Militärausgaben betragen gegenwärtig ca. 60 % der jährlichen weltweiten Militärausgaben von 2 Billionen Dollar (6). Die Verflechtung von Entwicklungshilfe und Bundeswehr verfolgt einen falschen Ansatz hinsichtlich der Entwicklungshilfe.

Wir fordern:

  • „Abrüsten statt Aufrüsten“
  • Dass die Bundesrepublik in Sachen Abrüstung und Entspannung endlich selbst vorangeht.
  • Den Einsatz der freiwerdenden Mittel für Bildung, Gesundheit und uneigennützige Entwicklungshilfe zur Selbsthilfe.
  • Die generelle Umstrukturierung der Bundeswehr entsprechend des Verteidigungsauftrages des Grundgesetzes.
  • Die Umsetzung des Gewaltverzichtgebots gemäß UN-Charta.
  • Die Gleichheit und nationale Souveränität aller Staaten zu achten.
  • Den Ersatz von Bundeswehreinsätzen durch THW-Einsätze und die Stärkung des THW.

Die Koalition erklärt erfreulicherweise die Teilnahme an der Vertragsstaatenkonferenz des Atomwaffenverbotsvertrages und benennt das Ziel einer atomwaffenfreien Welt. Im Widerspruch dazu wird gleichzeitig die Beschaffung eines Nachfolgesystems für das Kampfflugzeug „Tornado“ und dessen Zertifizierung für die nukleare Teilhabe zum Transport der in Büchel (Rheinland-Pfalz) stationierten US-Atomwaffen in ihre europäischen Zielgebiete geplant. Damit wird jedoch langfristig die atomare Teilhabe festgeschrieben.

E.Lentz Büchel Menschenkette 5.9.2021Wir fordern:

  • Die Kündigung der atomaren Teilhabe, den Abzug der US-Atomwaffen aus Deutschland gemäß des Bundestagsbeschlusses von 2010 (7).
  • Den Beitritt zum UN-Atomwaffenverbotsvertrag, wie bereits durch mehr als 120 Länder erfolgt.
    Die Bundesregierung wird aufgefordert, sich in den politischen Strukturen der NATO für die ausdrückliche Erklärung des Verzichts auf Ersteinsatz von Atomwaffen im Sinne der Erklärung der 5 Atommächte im UN-Sicherheitsrat vom 03.01.2022*8 einzusetzen.

Die Koalition plant entgegen verschiedener Erklärungen im Wahlkampf seitens der SPD und Bündnis90/Die Grünen die Bewaffnung von Drohnen, denn Drohnen sind aus der Erfahrung der Kriege im Nahen Osten Waffensysteme, welche die Schwelle militärischer Einsätze senken und häufig unbeteiligte Zivilisten ermorden. Ein Einsatz autonomer KI-basierter Drohnen wird von der Bundesregierung noch abgelehnt, allerdings sind die beschafften Systeme allein durch Software-Updates dahin aufrüstbar.

Wir fordern:

  • Den Stopp der Beschaffung von Drohnen zu militärischen Zwecken und die Bewaffnung vorhandener Drohnen.
  • „Initiativen Deutschlands“ zum Verbot der Herstellung und des Einsatzes bewaffneter Drohnen.
  • Das völkerrechtlich verbindliche Verbot autonomer Waffensysteme.

Die Koalition plant die Schaffung eines Rüstungskontrollgesetzes in europäischer Einbindung, was sicher zu starker Verzögerung führen wird. Lediglich für direkt am Jemen-Krieg beteiligte Staaten wird gegenwärtig ein Exportverbot erklärt, ohne Bezug zu anderen Konfliktgebieten. Es finden sich zudem keine Hinweise auf eine Konversion der Rüstungsindustrie, zum Beispiel zu Umwelttechnik oder Entwicklungshilfe, die bei der Schaffung eines restriktiven Kontrollgesetzes zur Sicherung von Arbeitsplätzen notwendig wäre.

Wir fordern:

  • Ein Exportverbot von Waffen und Waffenfabriken.
  • Ein Verbot der Lizenzvergabe und der Verlagerung von Rüstungsfirmen ins Ausland.
  • Die Konversion der Rüstungsindustrie.

Die Koalition plant umfangreiche Veränderungen der Flüchtlings- und Migrationspolitik und verpflichtet sich, Fluchtursachen zu bekämpfen, ohne diese jedoch zu benennen.

Syrien Sanktionen aufheben AufstehenWir fordern:

  • Fluchtursachen in Form der völkerrechtswidrigen „Regime Change“-Versuche, Interventionen und durch die Alliierten geführten beziehungsweise durch Rüstungsexporte befeuerten Kriege im Nahen und Mittleren Osten (Afghanistan, Irak, Jemen, Libyen, Syrien) endlich zu beenden.
  • Die Ablehnung von Wirtschaftssanktionen, denn sie sind kontraproduktiv zur Friedensvermittlung und führen zu Hunger und medizinischer Unterversorgung der Bevölkerung und behindern den Wiederaufbau.
  • Eine Unterstützung der Entwicklungsländer bei der Bewältigung des Klimawandels, der bisher überwiegend durch die Industrienationen verursacht wurde.
  • Die staatlich geförderte Einwanderung ausgebildeter Fachkräfte aus weniger entwickelten Ländern ist eng zu begrenzen, denn sie führt zu deren weiteren Schwächung und verhindert ihre Entwicklung.

Wir befinden uns an einem Scheideweg für die globale Entwicklung und das friedliche Zusammenleben.

Wir erhoffen, dass Sie als Koalitionsparteien der Bundesregierung, als Abgeordnete des Bundestages und Entscheidungsträger*innen sich für ein globales, friedliches Miteinander einsetzen. Lassen Sie uns die Kriegsgefahr beseitigen!

1 https/www.spd.de/fileadmin/Dokumente/Koalitionsvertrag/Koalitionsvertrag_2021-2025.pdf, S. 132 ff.
2 vgl. https://taz.de/Annalena-Baerbock-ueber-Aussenpolitik/!5819421/
3 vgl. https/www.spd.de/fileadmin/Dokumente/Koalitionsvertrag/Koalitionsvertrag_2021-2025.pdf, S. 144
4 2 % Eigenberechnung auf Basis BIP Vor-Corona-Jahr 2019 (https://www.destatis.de)
5 Eigenberechnung 14 %: 70 Milliarden von 498,62 Milliarden Euro (https://www.bundestag.de/dokumente/textarchiv/2020/kw50-de-haushaltsgesetz-2021-schlussrunde-810070)
6 vgl. https://sipri.org/sites/default/files/2021-06/sipri_yb21_summary_en_v2_0.pdf
7 vgl. https://www.bundestag.de/webarchiv/textarchiv/2010/29155758_kw12_de_abruestung-201446
8 vgl. https://www.tagesschau.de/ausland/amerika/atommaechte-erklaerung-101.html

(Stand: 26.01.2022) Dieses Dokument des Arbeitskreises wird auch vom Themenraum GLOBALE VERANTWORTUNG der Sammlungsbewegung aufstehen unterstützt. pdf-download unter diesem LINK

Arbeitskreis FRIEDEN, ABRÜSTUNG und AUẞENPOLITIK    ak-frieden (at) aufstehen.de

 

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