Redebeitrag auf der „Grundrechte“ - Demo am 30.05.2020 auf der Bürgerweide: Zweierlei Verschwörungstheorie

Unser #aufstehen Bremen Mitstreiter Walter Ruffler hat heute (30.05.2020) auf der Bürgerweide folgende Rede gehalten.

Walter mit Volksvertreter 2020Liebe Freunde des Grundgesetzes,

1. Die aktuelle Situation   Unsere Demos zur Bewahrung der Grundrechte haben in den letzten Wochen viel Gegenwind bekommen. Politiker, Behörden und Qualitätsmedien warnen davor, teilzunehmen. Das ist verwunderlich, weil sich diese Demonstrationen nicht nur auf dem Boden des Grundgesetzes bewegen, sondern sich ausdrücklich für den Kern des Grundgesetzes stark machen, die Grundrechte. Der zentrale Vorwurf lautet: „Verschwörungstheorie“. Im Weser-Kurier vom Montag (25.05.2020) listet Claudia von Salzen 14 vermeintliche Verschwörungstheorien auf, von „Aluhut“ bis „Zwangsimpfung“.  Allerdings gibt es auch Zustimmung zu unseren Demos, und auch von einer Seite, die ich nicht für möglich gehalten habe. In Welt-online vom 24.05.2020 heißt es: „Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble (CDU) teilt die Bedenken gegen die zahlreichen Demonstrationen in verschiedenen Städten nicht.“ Er sagt: „Es sei gut, wenn sich der Wunsch artikuliere, etwa die Meinungsfreiheit zu erhalten.“ Und er fügt hinzu:  „Dass sich in solche Demonstrationen mitunter auch Personen mit abstrusen Theorien begeben, lässt sich nicht verhindern. Niemand ist vor dem Beifall von der falschen Seite sicher.“

2. Zerstörerische Verschwörungstheorien   Nun gibt es allerdings Verschwörungstheorien, die gepaart mir staatlicher Macht, unsägliches Leid über Menschen gebracht haben. So diente die Theorie einer jüdischen Weltverschwörung dem deutschen Faschismus dazu, die jüdischen Mitbürger zunächst auszugrenzen und zu drangsalieren, um sie aus Deutschland zu vertreiben, und als die Deutsche Wehrmacht große Teile Europas besetzt hatte, diente diese Verschwörungstheorie dazu, die Tötung von Millionen Menschen zu rechtfertigen. Das war Faschismus.

Ich will ein zweites Beispiel für eine zerstörerische Verschwörungstheorie in der Hand des Staates nennen. Die McCarthy-Ära von 1947 – 1956 in den USA.

Es war eine Zeit der Hexenjagd gegen Kommunisten und Linke und gegen solche, die dafür gehalten wurden, bei der viele Existenzen vernichtet wurden. Eine besondere Rolle spielten der republikanische Senator Joseph McCarthy und ein parlamentarischer Untersuchungsausschuss mit dem bezeichnenden Namen „Komitee für unamerikanische Umtriebe (House Committee on Un-American Activities“), vor dem verdächtigte Personen öffentlich Rechenschaft ablegen mussten, darunter auch deutsche Emigranten wie Bertolt Brecht und Hanns Eisler, die vor dem Hitler-Faschismus nach Amerika geflohen waren. Dem in den USA lebenden britischen Staatsbürger Charlie Chaplin wurde 1952 die Wiedereinreise verweigert, weil er dieses Komitee kritisiert hatte.

3. Reale Verschwörungen

Nun gibt es Verschwörungen allerdings auch wirklich. 1947 wurde in Amerika die CIA eigens gegründet, um weltweit Verschwörungen anzuzetteln, wie die Invasion Kubas 1961 oder den Putsch gegen den chilenischen Präsidenten Allende 1973. In jüngster Zeit wurde der völkerrechtswidrige Krieg der US-Armee 2003 gegen den Irak mit der Lüge begründet, der irakische Präsident Saddam Hussein verfüge über Massenvernichtungswaffen und arbeite mit der Terrororganisation Al-Kaida zusammen.

In Deutschland haben staatliche Verschwörungen einen Namen: Das „Celler Loch“, das 1978 vom niedersächsischen Verfassungsschutz und der GSG 9 im Rahmen der „Aktion Feuerzauber“ in die Außenmauer der Justizvollzugsanstalt Celle gesprengt und der Rote-Armee-Fraktion in die Schuhe geschoben wurde.

4. Verschwörungstheorien als Erkennntismittel

„Verschwörungstheorien“ von unten können hilfreich sein, um realen Verschwörungen auf die Schliche zu kommen und Licht ins Dunkel zu bringen. So kam die Wahrheit über das Celler Loch erst 1986 heraus, also 8 Jahre nach dem Ereignis, und zwar durch die Recherche von Journalisten, die die offizielle Version nicht glaubten, also eine „Verschwörung“ vermuteten.  Und die Veröffentlichung der Pentagon-Papiere 1971 durch die New York Times deckte auf, dass die Johnson-Regierung sowohl die US-amerikanische Öffentlichkeit als auch den Congress über den Vietnamkrieg jahrzehntelang systematisch belogen hatte. Die Veröffentlichung erfolgte gegen den Widerstand der Regierung aufgrund einer Entscheidung des höchsten US-Gerichtes und trug wesentlich zur Beendigung des Krieges bei. Der Kriminalschriftsteller Wolfgang Schorlau vermutet in seinem Roman „Denglers achter Fall“ eine „schützende Hand“ über der Terrorgruppe Nationalsozialistischer Untergrund (NSU), weil weder die parlamentarischen Untersuchungsausschüsse noch der Prozess vor dem Oberlandesgericht München die Hintergründe der rassistischen Morde, das Versagen der Behörden und die Rolle mancher V-Leute aufklären konnten.

Der Direktor des Zentrum für Arbeit und Politik an der Universität Bremen, Prof. Andreas Klee schreibt in seinem Gastkommentar „Wahrheit ist ein fortlaufender, sozialer Prozess“ am 24.05.2020 im Weser-Kurier:

„Nicht alle Erklärungen außerhalb des Mainstreams sind Ansammlungen von Unwahrheiten. Der Verschwörungsverdacht, als kritische Haltung gegenüber Autoritäten, kann konstruktives Potential entfalten. So zogen und ziehen zum Beispiel soziale Bewegungen (…) aus diesem Misstrauen ihre Kraft zur gesellschaftlichen Veränderung.“
Und er fordert:
„Die Öffentlichkeit muss der Ort bleiben, um Erfahrungen, Sorgen und Hoffnungen zur Sprache bringen. Nur so können wir die konstruktiven Kräfte des Mitredens, Mitmachens und Einmischens bewahren.“

Ich hoffe, dass solche konstruktiven Worte bei politisch Verantwortlichen und Medien auf fruchtbaren Boden fallen.

Walter Rufflers Rede am 30.05.2020 auf der Bürgerweide als Video